Zum Einstieg ein P144 ?

  • Hallo erstmal,


    ich heiße Manuela und bin bei meiner 4ten Schnapszahl gelandet. Nachdem mein Mann und ich seit 3 Jahren auf Volvo-Schau > 40 Jahre sind, meinen wir fündig geworden zu sein. Es könnte unser erster Volvo werden.....


    Wie es allerdings so oft ist, man beliest sich zwar, aber letztlich fehlt dann doch die modelltypische Erfahrung. Und hier würden wir gerne auf Euch zurückgreifen.


    Ausgeguckt haben wir uns einen P144 aus dem Jahre 1971, de luxe mit B20A-Motor und Automatik-Getriebe. Eine ausführliche Beschreibung mit 65 Fotos gibt es hier:
    https://www.automobile-zeitrei…gasanlage-tuv-h-zulassung


    Für 8.500 EUR würde er wohl den Besitzer wechseln dürfen. Aber ist das ein gerechtfertigter Preis? Worauf muss man Eurer Meinung nach achten? Den Bildern und der Beschreibung nach zu urteilen hat der Wagen einen sehr guten Zustand.


    Für Eure Rückmeldungen sind mein Mann und ich Euch dankbar ! ... und dafür, dass Ihr Euch die Zeit nehmt.


    LG Manuela

  • Hallo Manuela.
    Klingt gut - die Schwachstellen im Oldtimer A-Z nachlesen und genau anschauen.
    Bei dem Preis muss eine Hebebühnenbesichtigung mit drin sein.
    Jemandem mitnehmen der sich mit Volvo (alten Modellen) auskennt.
    Gasanlage beim Oldtimer ist Geschmackssache oder ein Umweltargument.
    Gruß
    Jörn
    so weit ist es ja nicht...


    Edit: Wenn ich das richtig lese steht er unter schon-verkauf...:-(

  • Hi Jörn,


    danke für Deine Antwort. LPG würde ich aus Umweltgründen mitnehmen ;-) Mit nem Volvo-Kenner wird es da eher schwierig. Da muss die Amazon/Buckel-Lektüre herhalten und das Fach-ABC sowie die P140 -Seite von Uli Schmitt.


    Es hört sich ein wenig so an, als wenn Du den Volvo als hochpreisig / überteuert einstufen würdest.....höre ich das richtig raus, oder liege ich da eher falsch ?


    LG, Manuela

  • Hi Manuela,


    Du fragst nach Meinungen zum Kauf des beschriebenen und ausführlich bebilderten 144 / 71.


    Jörn hat dazu schon einen ganz wesentlichen Hinweis gegeben: Einen P 144 / 71 in der Preisklasse 8.500,- Euro P sollte man als Einsteiger und Markenneuling unbedingt mit einem - am besten langjährigen - 144 - Kenner / Schrauber und Fahrer ansehen.


    So wie der Wagen beschrieben und bebildert ist, scheint er gut zu sein. Fotos und Wirklichkeit können aber deutlich differieren;
    außerdem sind Problemstellen nicht ein- bzw. ansehbar.


    Ich nenne hier mal ein paar marginale Unterschiede des in den Fotos gezeigten P 144 / 71 zum Original:


    - Die Knebelverschlüsse der Dreiecksscheiben sind durch Nachfertigungen ersetzt, die an die Scheiben angeklemmt wurden,
    während die originalen Knebel an die Scheiben geklebt sind (demgemäß natürlich auch sehr oft abfallen - liegt am Kleber).


    - Die Verriegelungsknöpfe an den Türen innen sind nicht original, sondern durch spätere bzw. solche aus der Serie 200 ersetzt.
    Die Knöpfe für P144 / 71 haben einen breiten Rand und sind an der Oberfläche leicht muldenartig eingetieft.


    - Die rückwärtige Kennzeichenleuchte ist kein originalteil sondern Nachfertigung und unterscheidet sich farblich als auch
    in der Form vom Original.


    - Die vordere Partie des linken hinteren Radlaufes ist auf keinem Foto ganz deutlich zu erkennen. Nach dem was die Fotos
    zeigen, muss man dort ganz genau hinsehen, denn die entscheidende Stelle, der Übergang zur Grundschwelle, erscheint
    auf den Fotos - ich nenne es - "gebügelt". Hier sollte aber der Radlauf etwas über die Grundschwelle überstehen und in einem
    recht geringen Radius darauf auftreffen. Wenn das nicht so ist, der Radlauf also glatt in die Grundschwelle übergeht, hat der
    Karosseriebauer entweder nicht aufgepasst, oder dort mit einem ungenauen selbst gefertigten Blech improvisiert,
    oder - man möchte es kaum aussprechen - mit Spachtel angeglichen. In jedem der drei genannten Fälle ist Vorsicht angesagt,
    denn diese Stelle(n) wird nach einiger Zeit unweigerlich wieder anfangen zu blühen. Und das wäre angesichts der neuen
    Lackierung ausgesprochen ärgerlich und wertmindernd.
    Kommt hinzu, dass wenn so gearbeitet wurde, man im Zweifel bleibt, ob die Blechlagen unter dem Radlauf
    (Grundschweller) korrekt nachgebaut worden sind, wenn sie denn angegriffen, oder durchgerostet waren, was sehr häufig an
    dieser Stelle vorkommt.
    Gleiche Bedenken gelten für alle anderen reparierten Partien des Heckbereiches, der Schwellenspitzen und der hinteren
    Radläufe (Und auch der vorderen Stehbleche und deren Peripherie ...).


    Ich möchte hier mal schließen, das wird sonst zu lang, unübersichtlich und nicht mehr gut zu lesen. Warum wurde das überhaupt so differenziert aufgezeigt? Um eben zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass ein wirklicher Kenner und Praktiker mit zur Besichtigung kommt. Vor allem, wenn es um 8,5 K geht. Die sind sicher dann gerechtfertigt, wenn keinerlei technische und/oder formale Probleme oder Kompromisse bestehen. Aber das ergibt sich in der Tat nur durch Augenschein und Detailkenntnis.


    Falls gewünscht gerne zu weiteren Inspektionsbedarfen mehr; für heute wünsch ich einen angenehmen Restabend ...


    mit freundlichem Gruß
    Karl (k-c-f)

  • Hi Karl,


    vielen Dank für Deine Ausführungen !!


    Die Originalität eines Fahrzeuges ist nicht unbedingt zu 100% mein Ziel. Ich denke, da wo es sinnvoll ist, darf auch mal ein Auge zugedrückt werden. Das fängt ja bei dem Alter meistens schon mit (Roll)gurten an und event. Nachrüstungen auf der Rückbank.


    Wie bereits in meiner Antwort an Jörn erwähnt kann ich auf niemanden mit Fachwissen in Sachen P144 zurückgreifen. Da bleibt dann einzig der Blick meines Mannes. Bzgl. des Radlaufes habe ich dann gesehen was Du gemeint hast. Er trifft im Endeffekt flach auf den Schweller, während auf der rechten Seite ein leichter Überstand zu erkennen ist.


    Wenn ich Dich richtig verstehe, dürfte selbst bei einem nicht korrekt nachgefertigtem Blech mit einem Aufblühen zu rechnen sein? Egal wie gut Schweißnaht oder auch Blechqualität sind?


    Andere Frage: woran würde ich denn als Nichtkenner erkennen, ob die Schwellerspitzen im Zweifel korrekt nachgebaut worden sind? Kann man irgendwo sehen wie diese aussehen müssten.?


    Der Wagen steht letztlich in Rheinland-Pfalz Nähe Montabaur.....von der Sache war demnach die Grundidee - hinfahren - gucken - ggf. kaufen und damit heimfahren. Aber wenn ich resümieren darf es bestehen Zweifel hinsichtlich der Qualität der Karosseriearbeiten und die 8,5 K sind für einen P144 als recht hoch anzusehen, weil in der Regel gleichartige Fahrzeuge günstiger gehandelt werden - korrekt?


    Ich hätte da noch eine weitere Frage speziell zum Getriebe. Das BW35 soll im allgemeinen nicht als sehr zuverlässig und langlebig gelten. Stellt dann nicht schon allein dieser Punkt eine grundsätzliche Preisminderung dar? Wäre das gleiche Fahrzeug mit Schaltgetriebe demnach als "wertiger" anzusehen?


    Grüße, Manuela


    Edit: ich sehe auf Bild 37 auch gerade, dass der Gummi der Frontscheibe auch nicht mehr so ganz intakt scheint...
    Edit 2: habe jetzt auch einen Link zum originalen Angebot bekommen - dies findet sich bei Mobile. Hier steht noch Einiges zu den erfolgten Arbeiten drin.
    https://suchen.mobile.de/fahrz…40-a88b-9110-b1b012a40879

  • Hi Manuela,


    gleich in medias res:


    Getriebe:


    BW 35: Ist ein Automatic - Getriebe :-))
    Ich habe selbst mehrere gefahren - auch schon mal eines in Grund und Boden. Die BW 35 sind , wenn pfleglich behandelt und schonend genutzt schon ganz gute alte Dinger. Aber, man weiß nie, was in den 100.000 km vorher damit angestellt wurde.
    BW 35 arbeiten mit Bremsbändern, die die einzelnen Schaltvorgänge bewirken. Das allein ist gegen modernere, wie z.B. AW 71
    nachteilig, da verschleißanfälliger.


    Wenn das Getriebe bei der Probefahrt ordentlich arbeitet, d.h. spontan schaltet, beim Anfahren gleich einrückt - vorwärts sowie rückwärts, wenn es beimAnfahren kein hörbares oder gar deutliches Laufgeräusch macht, dann kann es angehen.


    Wichtig ist, es auf Ölundichtigkeit zu kontrollieren, auch darauf, ob frisch abgewischt wurde. Rotes Getriebeöl unter der Wandlerglocke /am Getriebehalter hinten / in Fahrtrichtung rechts über derÖlwanne an der Stelle, wo die Schaltwelle endet /an den Rohrleitungen vom und zum Wasserkühler/ ? Das wären zwar noch keine k.o. Kriterien, aber deutliche Verschleißindikatoren mit relativ zeitnaher Handlungsrelevanz - und das wird u.U. sehr teuer.


    Für die Probefahrt: Gerne einen ganz langen Autobahnaufstieg mit mehr als 100 kmh fahren, und dabei den Rückspiegel beobachten. Da kann es schon sein, dass man meint der Volvo hätte Feuer gefangen :-) es tropft dann heißes Getriebeöl auf den Auspuff und verdampft. No go!! Beim Händler stehen lassen!


    Dann kommt ein Punkt, der Geschmacksache ist. Der 71-er hat Lenkradschaltung, und zwar einen "übel dicken Knüppel".
    Mir gefällt das Auto mit manueller Schaltung sehr viel besser; mit dem langen fiöligranen verchromten Schalthebel lässt sich das Getriebe beispielhaft gut schalten. Die Gänge fallen rein, wie von selbst - und dann dazu die Optik der Schaltbetätigung - grandios und auch nur bei den P 144 bis `71. Doch wie gesagt - Geschmacksache.


    Soweit mal - jetzt muss ich mir den Wecker stellen, der Tag beginnt um 04.45 h und es wird ein Werkstatttag :-)
    Zu Blech- und Karosseriefragen - ist eh eines meiner Spezialgebiete - morgen / heute gerne mehr ...


    Gruß
    Karl (k-c-f)

  • Hi Karl,


    ich danke für Deine ausführliche Beschreibung. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn man immer nur über Schwachpunkte liest, dass die Fahrzeuge ausschließich versteckte Fässer ohne Boden sind ;-) Aber wir werden die Punkte mit auf die Check-Liste nehmen, wenn wir uns den Wagen aunschauen dürfen. Es ist allerdings ein Privatverkauf. Der Wagen wurde letztes Jahr über "Automobile Zeitreise" angeboten, daher die vielen Fotos. Allerdings wurde er da nicht verkaut, da die Preisspanne deutlich über 10.000 EUR geegen haben soll. Jetzt steht er bei Mobile drin.


    https://suchen.mobile.de/fahrz…40-a88b-9110-b1b012a40879


    Wir haben den Wagen als Tipp von Freunden bekommen, die ihn sich bereits angeschaut haben. Allerdings haben sie sich unwohl gefühlt mit dem großen Lenkrad bzw. dem wenigen Platz zwischen Lenkrad und Sitz. Wir müssen mal schauen, dass wir dort anrufen und ins Gespräch kommen. Der Schaltknüppel stört uns eher weniger. Wichtig ist uns in erster Linie eine gute Karosse. Und wenn das Getriebe dann doch nicht so schlecht ist.... :rolleyes: ....wie sein Ruf.....


    Bzgl. Karosserie wäre mein Vater eine Idee. Der hat zwar keine Volvo-spezifischen Kenntnisse, ist aber gelernter Karosseriebauer und hat in frühereren Jahren auch gerne geschraubt....Trabbi und Wartburg :D


    LG Manu

  • Hi Manuela,


    zu weiteren Fragen:


    Wertigkeit - Automatik / manuelles Getriebe: Die Einschätzung hängt teils von der Präferenz des Erwerbers ab.
    In jedem Fall bedeutet eine alte Automatik ein höheres Ersatzteilbeschaffungs- und Reparaturkostenrisiko.
    Unter dieser Prämisse halte ich ein Fahrzeug mit Handschaltung für wertiger.


    Aufblühen / Rostbefall: Das Risiko besteht immer, wenn nach Schweißarbeiten die (Hohlraum-)Konservierung nicht ordentlich gemacht wurde. Dies umso mehr bei besagtem Radlauf: Wenn hier die Substanz - egal, ob Fluid Film oder sonstige - nicht ganz penibel eingetragen wurde, rostet es nach einiger Zeit mit Sicherheit wieder.


    Grund für diesen Hinweis: An der besagten Stelle liegen zwei, und stellenweise im Inneren Radlauf auch drei Blechlagen übereinander. Wenn man hier zwar kräftig Konservierung einbringt, erreicht man längst nicht jeden Winkel.
    Hier ist es erforderlich, die Lagen und Überlappungen genau zu kennen und dementsprechend auch Hohlräume anzubohren, um sie mit Konservierung zu erreichen.


    Ein Indiz für gut durchgeführte Konservierung ist, wenn man sieht, dass das Mittel aus Karosseriespalten / Öffnungen heraus gesickert ist. Das gilt auch für die Problemstelle am hinteren Radlauf. Wenn hier z.B. mit Spachtel, oder Hart-, oder Weichlot der Spalt geschlossen und der Radlauf an die Grundschwelle angeglichen wurde (s.o.) ist es fraglich, ob dahin überhaupt Hohlraumkonservierung vorgedrungen ist, oder ob sie nur bis zu einem Luftpolster, das nicht mehr entweichen konnte, da unten kpl. zu, gekommen ist. Da jede Schweißung bzw. Hartlötung aber Oxid an der Oberfläche bildet, das entfernt oder wenn unerreichbar, durch Konservierung penetriert werden muss, folgt schlüssig, dass besagte Stelle nicht optimal versorgt werden konnte - es sei denn, es wurde angebohrt und hinterher mit Stopfen verschlossen. Das sieht man dann am / im Radlauf.


    Zur Frage zu den Endspitzen: Die sichtbare auf der rechten Seite wurde zwar von außen konserviert und es sieht nach dem Foto auch aus, als sei ein Reparaturblech verarbeitet worden , jedenfalls lässt die Unterkante zum Abschluss mit dem Innenblech des Radhauses dies in etwa erkennen. Um das genau zu ergründen, muss man es aber sehen.


    Noch zum Radlaufblech an dieser Stelle: Du beschreibst, es stehe etwas über die Grundschwelle über. Das wäre o.k.
    Dennoch ist die Frage, ob es präzise angepasst / eingebaut worden ist, denn das Foto zeigt m.E. einen deutlichen Höhenunterschied zur Kante der Grundschwelle.
    Originalerweise müsste die Radlaufunterkante mit Überstand genau auf die Kante der Grundschwelle treffen.
    Doch auch hier muss man das betrachten können - das Foto ist dazu nicht genau genug.


    Ich fasse mal zusammen: Die Karosserie scheint mir nach den Fotos besonders linksseitig nicht ganz optimal repariert zu sein.
    Das müsste beidseitig genau angesehen werden.


    Der Preis von 8.5 k erscheint mir insofern mindestens deutlich verhandlungsbedürftig. Ich für meinen Teil würde zu diesem Preis das Fahrzeug nicht in Betracht ziehen, da die Reparaturstelle nicht vertrauensbildend ist, Fragen offen lässt und weil außerdem die Automatic nicht mein Ding wäre - nicht nur wegen der Risiken.


    8,5 k für ein solches Fahrzeug wären dann angemessen, wenn keine formalen und technischen Fragen / Ungenauigkeiten / Kompromisse vorlägen.


    Zum Vorderwagen und Boden etc wurde noch gar nichts gesagt - ebensowenig zur Produktionsstätte Gent. Das
    lässt auch noch Fragen offen.


    Schließlich die Frontscheibe: Der 144/71 hat eine eingeklebte Scheibe, keine Gummidichtung. Der sichtbare schwarze Überstand auf Foto 37 kann von einem Austausch der Frontscheibe herrühren - das Dichtband hat da u.U. nicht ganz im Falz gelegen. Das muss aber nicht problematisch sein, wenn die Scheibe dennoch richtig und dicht sitzt. Auch hier: genau hinsehen,
    evt.die inneren Kunststoffverkleidungen abnehmen, dann sieht man genau, ob die Stelle dicht ist.


    In diesem Zusammenhang sei noch auf die Bedeutung für das gesamte Fahrzeug hingewiesen: Undichte Scheiben(-rahmen) lassen - oft lange Zeit unentdeckt - Wasser eindringen, das unbemerkt durchläuft bis zum Boden und da unter Teppichboden und Dämmmatte erhebliche Zerstörung anrichten kann.


    Hoffentlich war das nicht wieder zu viel Text - bin mir selbst im Zweifel darüber. Doch wenn man der/dem noch Sachunkundigen
    die Materie auch nur halbwegs plausibel und verwertbar darstellen möchte, geht's m.E. gar nicht anders.


    Für weitere Fragen bleibe ich gerne verfügbar ...


    ciao & beste Grüße
    Karl (k-c-f)